Hast du dich jemals gefragt, warum es sich schlimmer anfühlt, ignoriert zu werden, wenn dich jemand direkt ansieht, als wenn er dich überhaupt nicht ansieht?
Inhaltswarnungen
Keine
Die Kurzgeschichte
An diesem Abend, als sie durch die von Bäumen gesäumten Straßen Berlins nach Hause ging, ertappte sich Yuki dabei, wie sie die faszinierende Sprache der Blicke um sich herum studierte. Ein Paar saß auf der Terrasse eines Cafés, ihre Augen trafen sich und unterbrachen den Kontakt in einem zarten Tanz, der von Zugehörigkeit sprach. Wenn der eine kurz wegschaute, veränderte sich der Gesichtsausdruck des anderen leicht, bis sich ihre Blicke wieder trafen und ihre Verbindung wiederhergestellt war.
In der Nähe des Kanals beobachtete sie eine Gruppe von Freund:innen, die gemeinsam spazieren gingen. Eine Person sprach angeregt, aber niemand begegnete ihrem Blick. Ihre Worte schienen wie die von Yuki während der Besprechung zu verpuffen. Die Stimme der sprechenden Person wurde lauter, dann leiser, auf der Suche nach der richtigen Lautstärke, die die anderen dazu bringen könnte, sie anzusehen. Yuki erkannte den vertrauten Schmerz, nach Verbindung zu suchen und nur leere Luft zu finden.
An einem Zebrastreifen versuchte eine Touristin, nach dem Weg zu fragen. Die erste Person, die sie ansprach, blickte auf ihr Telefon und schuf damit eine unsichtbare Barriere, die deutlicher als Worte es je könnten sagte: „Nicht willkommen“. Doch als die Touristin den direkten Blick eines anderen Passanten erhaschte, war die Verbindung sofort da - ein kleiner Moment der Integration, der durch nichts weiter als eine Begegnung der Augen entstand.
Yuki verstand nun, warum diese Begegnung einen so tiefen Eindruck hinterlassen hatte. Es ging nicht nur darum, gehört zu werden - es ging darum, gesehen zu werden. Jeder abgewandte Blick war eine winzige Zurückweisung gewesen, jeder vorbeigehende Moment ein kleiner Ausschluss. Aber auch jeder direkte Blick hätte ein Rettungsanker sein können, eine stille Bestätigung, die sagte: „Du gehörst hierher“.
Ihr wurde klar, dass sie morgen anders in den Besprechungsraum zurückkehren würde - nicht, weil sich die anderen zwangsläufig ändern würden, sondern weil sie jetzt die Macht dieser stillen Signale verstand. Manchmal werden die tiefsten Wunden der Ausgrenzung und die stärksten Momente der Verbundenheit gar nicht ausgesprochen - sie entstehen einfach dadurch, dass wir uns entscheiden, wo wir hinschauen.
Diese Geschichte wurde aus dem Englischen von Helena Hartmann mithilfe von DeepL übersetzt.
Die Studie
Yang, Y. F., Fang, X., & Niedeggen, M. (2023). Gaze Matters: The Influence of Eye Contact on the Experience of Social Exclusion: An ERP study. Authorea Preprints. https://www.doi.org/10.22541/au.168175632.25469806/v1
Die Verbindung zwischen Geschichte und Studie
Ist euch schon einmal aufgefallen, dass es sich anders anfühlt, ignoriert zu werden, wenn jemand euch direkt ansieht, als wenn der- oder diejenige wegschaut? Wir wollten genau das verstehen - wie der Blickkontakt unsere Gefühle beeinflusst, wenn wir sozial ausgegrenzt werden. Mit Cyberball, einem häufig verwendeten virtuellen Ballwurfspiel, das für die Untersuchung sozialer Exklusion bekannt ist, haben wir untersucht, wie die Teilnehmenden reagierten, wenn sie ausgeschlossen wurden, während andere sie entweder direkt ansahen oder wegschauten. Wir haben sowohl ihre Gehirnaktivität als auch ihre Gefühle während dieser Interaktion gemessen.
Was wir entdeckten, war interessant: Wenn Personen direkt angeschaut wurden, während sie ausgeschlossen wurden, zeigten ihre Gehirne eine stärkere „Überraschungs“-Reaktion, was darauf hindeutet, dass der direkte Blick stärkere Erwartungen an sozialen Einschluss wecken könnte. Teilnehmende, die während des Ausschlusses einen abgewandten Blick erfuhren, berichteten über eine negativere Stimmung als diejenigen, die direkt angeschaut wurden. Dies deutet darauf hin, dass die Blickrichtung eine Rolle dabei spielt, wie wir soziale Ausgrenzung verarbeiten und erleben, auch wenn diese Beziehung komplex ist.
Das ist der Grund, warum die Geschichte „Das Ausmaß eines Blicks“ so interessant ist - sie lässt diese wissenschaftlichen Erkenntnisse durch alltägliche Erfahrungen lebendig werden. Wenn Yuki bemerkt, wie sich verschiedene Arten von Blicken auf ihre Gefühle von sozialen Einschluss oder Ausgrenzung auswirken, erlebt sie, was wir in unserer Forschung beobachtet haben: wie die Richtung des Blicks von jemandem unsere Erwartungen und Erfahrungen in sozialen Situationen beeinflussen kann. Die Geschichte hilft den Lesenden - also euch -, diese komplexen Erkenntnisse zu verstehen, indem sie zeigt, wie die Blickrichtung unsere täglichen sozialen Interaktionen beeinflusst.
Die Autorin
Yu-Fang Yang ist kognitive Neurowissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin und erforscht die neuronalen Mechanismen von sozialen Signalen, insbesondere von Gesichtsausdrücken und Blicken. Durch die Kombination von Elektroenzephalographie (EEG), Augenbewegungsmessung und computergestützter Modellierung erforscht sie, wie die Blickrichtung soziale Ausgrenzungserfahrungen prägt. Als engagierte Verfechterin offener und transparenter Wissenschaftspraktiken leitet sie mehrere internationale Initiativen zur Verbesserung der Forschungstransparenz und Reproduzierbarkeit in den Neurowissenschaften. Folgt ihr auf ihrer Website: https://www.yufang-yang.com.